fredag, august 29, 2014

Abenteuer Altai

Am nächsten Morgen stehen wir wieder an der staubigen Strasse, die immer tiefer ins Altai Gebirge reinführt. Wir wollen unser Glück mit Trampen versuchen, was bei einer Dreimann-mit-Hajkrucksäcken-Gruppe und der Durchschnittsgröße eines russischen Autos ganz schön herausfordernd sein kann. Alla gab uns den Tip, gleich zu Beginn die Sache mit dem Geld zu klären, denn viele Autofahrer wittern im Trampen ein gutes Geschäft. Der erste, der anhält, will auch gleich 20Euro haben, wir lehnen dankend ab. Einige Zeit und Autos später haben wir Glück und werden mitgenommen. Der Fahrer sagt auch zunächst, er sei kein Taxi und nennt keinen Preis. Nach einiger Fahrt will er dann aber doch 600 Rubel von uns haben und weiß auch nicht genau wo wir hinwollen. Wenige Kilometer vor unserem Ziel schmeißt er uns dann an ner Kreuzung raus, da wir nicht bereit sind, noch mehr Geld zu zahlen und so halten wir erneut den Daumen raus. Der nächste Autofahrer der anhält, hat allerdings einen Sarg im Fahrgastraum liegen, sodass wir dann doch lieber auf den Bus warten und die letzten Kilometer noch zu Fuß zurücklegen...
Unsere Bleibe befindet sich in einem Kiefernwäldchen am Ufer des Flusses Katún mit Sandstrand und russischer Sauna - wir haben sofort das Gefühl, irgendwo in der kanadischen Wildnis gelandet zu sein. Das Wetter lädt zum Baden ein und so hopsen wir auch gleich ins kühle Nass (sehr kühl! Gletscherwasser!!).
Am nächsten Morgen gehts früh los in die Berge zum Wandern und Reiten. Wir werden von dem uns bereits bekannten Busmodell abgeholt und fahren Richtung Shemal, vorbei an malerischen Bauernhäuschen mit großen Gärten, Jurten und Strassenverkäufern, einem Zirkuszelt, neben dem ein Panzer ausgestellt ist und anderen Kuriositäten. Auf halber Strecke legt der Fahrer plötzlich eine Vollbremsung ein und wir staunen nicht schlecht, als vor uns ein großes Schwein mutterseelenallein über den Zebrastreifen läuft. Sch(w)eint gut erzogen zu sein...
Unser Abenteuer beginnt mit einer 2-stündigen LKW-Fahrt über Stock und Stein, oder besser gesagt über Baumstamm und Felsen, denn das Gefährt liefert ein ordentliches Brett was die Geländegängigkeit angeht und macht unsere Wirbelsäulen reif für den Chiropraktiker. Nach etlichen Flussdurchfahrten, Matschlöchern und sonstigen Schikanen, kommen wir auf einer Lichtung mitten im Nichtsan. Von hier aus geht es zu Pferde weiter durch die Tundra immer weiter bergauf zu einer Art Alm am See. Idylle pur. Wir reiten durch  den Altai und kriegen das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht gewischt. Nach weiteren 2Stunden Ritt erreichen wir die Baumgrenze und kurz darauf unser Ziel: einen kristallklaren Bergsee, umgeben von schroffen Felsen, Schneefeldern und einem unglaublichen Bergpanorama. Nach einem Sprung ins kühle Nass, versuchen wir unser Glück beim Mittagessen. In einer klapprigen Holzhütte stehen große schwarze gusseiserne Töpfe um ein großes Lagerfeuer. Wir wissen nicht einmal was Essen auf russisch heißt und Viktor ist noch mit der Wandergruppe unterwegs. Unser Reitführer setzt sich mit einem großen Teller Suppe und einigen Pfannkuchen neben uns und ich versuche mein Glück: "das Bortsch?" frage ich unzeige auf seine Suppe. Er nickt. "Das?" frage ich wieder und zeige auf seine Pfannkuchen. "Blinj" sagt er. Alles klar, jetzt wissen wir was zu bestellen ist. Mit Zettel und Stift versuchen wir die Preise rauszufinden, da wir nur noch 550Rubel in der Tasche haben. Es reicht genau für zweimal Bortsch, zweimal Blinj und zwei Tees. Stolz wie Bolle essen wir unser erstes selbstbestelltes Essen.
Nach der Mittagspause geht es weiter bergauf, diesmal zu Fuss. Wir erklimmen einen Hügel nach dem anderen, vorbei an einer 400 Jahre alten Kiefer bis zu den heiligen Seen.
Die Landschaft ist enorm, wir sind begeistert. Die Bilder sprechen für sich...












torsdag, august 28, 2014

Von Celiabinsk bis Altai

Liebe Grüße aus Novosibirsk! Eigentlich wollten wir den heutigen Tag und Abend auf den Höhen des Altai-Gebirges, genauer gesagt auf dem Bergpass Tschiketaman nahe der Grenze zu Kasachstan verbringen. Doch es kam alles anders und so haben wir uns heute nach 12stündiger Busfahrt ein Hostel mit Küche, Dusche, Waschmaschine und sogar einer Porzellanschüssel gegönnt - alles Dinge, die wir in den letzten Tagen nicht zu sehen bekamen. Das entschädigt zwar nicht für die verpasste Fahrt des Tschujskij-Trakt, der berühmten Strasse durch's Altai-Gebirge, aber wir freuen uns stattdessen auf unsere nächsten Abenteuer...

Also von vorn: nachdem uns unsere Gastfamilie bis zum Platzen gefüttert und abgefüllt hatte (O-Ton Helena: das ist kein Urlaub, das ist Krieg!), fuhren wir am vergangenen Wochenende mit der Transsibirischen Eisenbahn zunächst nach Novosibirsk und von dort mit dem Bus weiter bis Gorno Altaijsk. Die 23-stündige Zugfahrt fand unterschiedlichen Anklang: eng, stickig, hässlich und unbequem wäre meine Wortwahl, Patricks Urteil dagegen etwas milder. Eine Fahrt mit der Transsib war mein Traum seit ich denken konnte - wieder bin ich dabei wohl meiner Romantik zum Opfer gefallen... heftiger war allerdings noch die anschließende 9-stündige Busfahrt bei über 30Grad Aussentemperatur und einer non-stop-telefonierenden Russin, die uns von der ersten bis zur letzten Minute das Ohr abkaute. Völlig geplättet kamen wir in Souzga bei unserer Couchsurferin Alla an und staunten nicht schlecht, über Unterkunft und Gastfreundschaft. Ein gemütliches Abendessen mit Wein, Schnaps und Pralinen auf der Veranda ließ uns schnell die Reisestrapazen vergessen.


Allabendliches Fressgelage


Kasachische Grenzkontrolle

Eisenbahnromantik unter prüfenden Blicken der Schaffnerin

Viktor und die Dame mit dem Endlosakku

Endlich angekommen: Souzga



Unsere Couchsurferin Alla


fredag, august 22, 2014

Banja

Einmal mehr konnten wir heute Russland von seiner russischen Seite kennen lernen. Zunächst ging es zum Pilze sammeln in die Taiga und zwar zu Patricks großer Freude mit dem abgefahrenen grauen Bus, der weiter oben schon auf einem Bild zu sehen ist. Der steht gerade hier auf dem Hof, weil er sich überschlagen hat und Viktors Cousin Genadi, der eine Autowerkstatt besitzt, ihn günstig erwarb und nun wieder in Schuss bringt. Fahren tut er schon mal wieder - und wie! Das Teil sieht aus als wäre es 40 Jahre alt, tatsächlich ist er aber Baujahr 2006. Natürlich extrem geländegänig und robust, jeglicher Komfort-Schnickschnack fehlt. Sogar die Innenverkleidung. Russisch eben.








Die Landschaft hier ist flach, aber dann doch sehr uneben, durchzogen von kleinen Birkenwäldern mit vielen Lichtungen, bewachsen mit hohen Gräsern und übersät mit zahllosen Tümpeln und Seen. Natürlich wimmelt es hier von Schnarken, die sich von unserer chemischen Keule leider nur bedingt beeindrucken lassen, und so stapfen wir mit langer Hose und Arbeitshemd bei über 30°C mit unserem Körbchen und dem Messerchen durch die Taiga auf der Suche nach Pilzen. Ich denke an einen Bericht, den Patrick mir gestern vorgelesen hat, über einen Atomunfall 1957 in einem AKW nur 100km entfernt von hier, dessen Ausmaße mit Tschernobyl vergleichbar waren. Dann denke ich an den Hype, der bei uns in Deutschland um Pilz und Wildschwein (=Pilzfresser) gemacht wird. In Franken müssen dank Tschernobyl heute noch die geschossenen Wildschweine einer Becquerel-Messung unterzogen werden. Zu guter Letzt denke ich dann aber an den 94-jährigen Opa unserer Gastfamilie, der zu Hause auf seinem Bänkchen in der Hofeinfahrt sitzt. Der hat bestimmt auch von den Pilzen gegessen, also kein Grund zur Sorge.







Banja!

Anschließend geht's in die russische Sauna (genannt: Banja). Peter, Nachbar und Freund unserer Gastfamilie, hat uns zu sich zum Saunieren eingeladen, von 'Peitschenhieben' mit Birkenzweigen wurde uns im Vorfeld berichtet - doch wir hatten keine Ahnung, was uns erwartet. 

Peter ist 63 Jahre alt, kräftig gebaut (der dicke Bauch bei den Männern gehört wohl so und ist vielleicht Zeichen ihrer Gesundheit) und zunächst mürrisch drein blickend. Er ist nicht nur Unternehmer und wohl auch Ex-Soldat, sondern entpuppt sich als Saunameister, Masseur und autodidaktischer Heilpraktiker, der irgendwann dann doch auch lachen kann. Jedenfalls beginnt der Saunagang nicht etwa mit einem Saunagang, sondern damit, dass wir unseren kompletten Körper mit Honig einschmieren, gefolgt von einer Massage und dem Einrenken sämtlicher Wirbel. 
In der mit einem Holzofen erwartungsgemäß richtig hochgeheizten Sauna wird dann mit Hilfe von frischen Birkenzweig-Bündeln, die in heißes Wasser getaucht und ausgeschleudert wurden, ein Aufguss mit natürlichem Birkenaroma gemacht. Und natürlich wird der ganze Körper anschließend damit bearbeitet, wobei auspeitschen wirklich nicht der passende Begriff ist - es tut nicht weh, sondern ist einfach nur irrsinnig warm. 
Nach den Saunagängen warten Tee und Bienenwaben auf uns - sei wohl sehr gesund. Außerdem wird leicht vergorenen Birkensaft gereicht, der gut für die Nieren sein soll und mit einem dicken Löffel Honig im Mund gar nicht schlecht schmeckt. Bei der darauffolgenden Massage wird der ganze Körper mit Kaffeesatz und Ziegenmilch eingerieben und dann mit einem Stock kräftig in die Mangel genommen. Angekommen in Russland, dachte ich da...

onsdag, august 20, 2014

Privjet Baikal!

Unsere Bloggermentalität hat ja in den letzten Wochen wirklich zu wünschen übrig gelassen, wir geben's zu und streuen uns hierfür auch jede Menge Asche auf's Haupt. Die fehlenden Erlebnisse holen wir hier auf jeden Fall schriftlich für euch nach - trotzdem geht's jetzt erst mal weiter in der Gegenwart: viele Grüße aus Russland!!!

Nach 2 bewegten Festivalwochen blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken und Packen, ein Glück sind wir schon so viel unterwegs gewesen, dass die Siebensachen fast von selbst ihren Weg von der Waschmaschine ins Reisebündel finden. Minimalismus kann sehr angenehm sein. Und so stehen wir Montag Abend zusammen mit unserem Freund Viktor auf der Schwelle unseres Fliegers nach Moskau, als es von innen herausruft: "Aaaaaaah, Open Flair! Da war ich auch!!!" Die adrett gekleidete Stewardess mittleren Alters zeigt auf mein T-Shirt auf dem in großen Lettern "Open Flair Festival Crew" steht und schiebt dann grinsend den Ärmel ihrer Uniform zurueck, bis ihr Festivalbändchen zum Vorschein kommt: "hab ich gut versteckt, gell?", strahlt sie mich an. Und dann: "war echt der Hammer!" ich grinse in mich rein und beschließe, diesen Moment in mein Lieblingsmomentejournal mit aufzunehmen. Wenig später serviert sie mir meinen Kaffee mit der Frage, welche Band mir denn am besten gefallen hätte. Und während ich mich noch frage, ob sie denn zu dem Musiktyp Anti-Flag und Enter Shikari gehört, schwärmt sie schon von Anti-Flag, Zebrahead und dergleichen, während sie mir die Serviette und Milch zu meinem Kaffee reicht. Ein echt witziger Moment...

In Moskau angekommen, staunen wir nicht schlecht, denn tatsächlich sind unsere Rucksäcke auf dem Gepäckband zu finden. Auch die Einreise und Weiterfahrt zum anderen Flughafen verläuft problemlos (nur der Taxifahrer bekommt ein Knöllchen), sodass uns sogar noch einige Stunden Schlaf bis zum Weiterflug bleiben - den wir dann auch fast verschlafen!

In Celiabinsk empfängt uns Viktors Cousin, der mich sofort an einen der Klitschko-Brüder erinnert, und fährt uns zu sich nach Hause - nach Wunderschönhause! Denn die Familie besitzt ganz entgegen meiner Erwartungen ein kleines Häuschen außerhalb der Stadt mit idyllischem Garten, einer kleinen Werkstatt, Hund und Katz und viel viel Platz. Das Haupthaus haben sie im Laufe der letzten Jahre peu á peu selbstgebaut - immer wenn Geld übrig war, denn Kredite kann sich hier kaum einer leisten bei 24% Zinsen.
Wir werden herzĺich emfangen und müssen gleich am ersten Abend unsere Trinkfestigkeit unter Beweis stellen. MIt Samagol, dem hausgebrannten Nussschnaps wird wieder und wieder angestoßen. Zu Beginn sagt unsere Gastmutter noch scherzhaft zu mir: "eins, zwei, Lied!", nach dem achten oder neunten Schnaps singe ich dann tatsächlich ein kleines a-capella Ständchen, bevor es mich endgültig aus den Latschen haut...